Barbara Schuler, die Fraktionsvorsitzende der ÖL und dritte Bürgermeisterstellvertreterin, hat anlässlich des Volkstrauertages in Bleibach im Namen der Gemeinde folgende Rede gehalten:
Sehr geehrte Anwesende,
wir erinnern uns alljährlich am Volkstrauertag an die Vergangenheit und die kriegerischen Konflikte, an denen wir als Volk beteiligt waren. Aber auch an die gegenwärtigen Auseinandersetzungen, an denen wir es indirekt ebenfalls sind.
Der jüngste Konflikt in Israel ist für unsere Nation besonders zwiespältig, fordert uns aber auch heraus, ein klares Bekenntnis für ein friedliches Miteinanderleben abzulegen.
Anfang November wurde in Elzach der jüdischen Familie Türkheimer gedacht, eine angesehene Familie aus Elzach, die durch die Nazis vertrieben und einige Familienmitglieder ermordet wurden. Damals ging kein Aufschrei durch die Bevölkerung, sondern man hielt sich bedeckt, auch weil man sich nicht in Gefahr bringen wollte oder schloss sich der mörderischen NS-Hetze an.
Es ist bedrückend, dass sich in jüngster Zeit genau wieder die gleichen Mechanismen entwickeln, die inzwischen weit in die Mitte der Gesellschaft reichen. Es sind nicht nur bekennende Reichsbürger, Antisemiten und Rechtsradikale, die inzwischen wieder versuchen, eine Politik der Ausgrenzung, des Wegsperrens und der Verfolgung gut zu heißen. Es sind auch Menschen wie Du und ich, die die demokratischen Fundamente auszuhebeln versuchen.
Auch nach zwei Weltkriegen und der Schoah haben sich extreme Gewalt, Massaker und Verbrechen gegen die Menschlichkeit immer wieder in die Geschichte Europas eingeschlichen. In den 1990er Jahren auf dem westlichen Balkan, insbesondere mit der Belagerung von Sarajewo und dem Massaker in der UN Schutzzone Srebrenica. In der Ukraine tobt seit 2014 und insbesondere seit dem 24. Februar 2022 der Krieg. In Butscha und andernorts sichern Staatsanwälte die Spuren russischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit. In Israel überfallen Hamas-Kämpfer ein Musikfestival, erschießen unschuldige Zivilisten, verschleppen die Menschen aus ihren Siedlungen und nun beschießt das israelische Militär offenbar alle Gebäude, in denen es Hamas-Aktivisten vermutet. Es führt wie bei allen Konflikten zur Vertreibung von Menschen aus ihrer Heimat oder sie müssen unter menschenunwürdigen Bedingungen ausharren. Aufgrund dieser kriegerischen Auseinandersetzungen fliehen Millionen Frauen, Kinder und junge Menschen und suchen Zuflucht in den europäischen Mitgliedsstaaten, um zu überleben.
Ich möchte Sie heute aber nicht nur mit den Krisen der Gegenwart behelligen, denn es gibt trotz aller feindlichen Auseinandersetzungen auch positive Annäherungen. Aus Erzfeinden können gute Freunde werden, wie die deutsch-französische Annäherung nach 1945 zeigt. Begünstigt durch den kalten Krieg war diese Annäherung auch einfacher wie mit der Volksrepublik Polen.
Der Élysée-Vertrag wurde bereits im Jahre 1963 (22.01.1963) zwischen Frankreich und Deutschland abgeschlossen und war eine Folge des zivilgesellschaftlichen Engagements von mutigen Bürgerinnen und Bürgern sowohl aus Frankreich als auch aus Deutschland. Die erste Städtepartnerschaft entstand bereits 1950 zwischen Montbéliard und Ludwigsburg, der französische Bürgermeister war ein Überlebender aus dem Konzentrationslager Buchenwald. Er forderte immer wieder den Austausch von Schülern, Studierenden und älteren Bürgern beider Länder. Heute bestehen mehr als 2.200 Städtepartnerschaften über 3.000 universitäre Kooperationen, viele Jugendaustauschprogramme finden statt, Freundschaften wurden geschlossen und bi-nationale Familien gegründet.
Der Motor der deutsch-französischen Zusammenarbeit ist Vertrauen, das auf den verschiedenen Ebenen unserer Gesellschaften in Netzwerken entsteht und gelebt wird. Unsere Regierungen finden auch bei unterschiedlichen Interessen und Prägungen im vertrauensvollen Austausch Kompromisse, die oftmals für ganz Europa wegweisend sind.
60 Jahre nach dem Élysée-Vertrag, sollte dieses Vertrauen für ganz Europa gültig sein, denn Freundschaften über die Landesgrenzen hinweg sind die beste Prävention gegen Nationalismus, Rassismus und Menschenfeindlichkeit.
In Zeiten der Desinformation und der Geschichtsverdrehung ist eine gemeinsame Erinnerungskultur grundlegend. Gerade weil die Überlebenden kaum noch unter uns leben, ist der Jugendaustausch umso wichtiger.
Die 20jährige Denise Bardet war Grundschullehrerin, las gerne Goethe, Schiller und Kleist. Sie wurde am Abend vor ihrem 24. Geburtstag am 10. Juni 1944 zusammen mit ihren 7-8jährigen Mädchen der 2. Klasse und allen Frauen und Kindern des Dorfes in der Kirche von dem SS-Panzergrenadier-Regiment 4 mit weißem Phosphor erstickt, verbrannt oder erschossen.
Ich möchte nun mit einem Zitat aus dem Tagebuch dieser 20jährigen Denise Bardet aus dem Dezember 1940 enden:
„Es könnt doch alles so einfach, so gut, so angenehm sein! Werden die Menschen denn nie ihr Paradies auf dieser Erde errichten? Arme Verrückte, die sich unnütz verschwenden. So viele Reichtümer schlummern in ihnen, doch sie ignorieren, begraben das, um ihre gemeinen schädlichen Gedanken der Zerstörung walten zu lassen! Wie wäre die Welt schön und lebenswert, wenn jeder seine guten Neigungen in sich erblühen lassen könnte!“
Als Zeichen unserer Anteilnahme für die Opfer der vergangenen und gegenwärtigen Kriege, auch im besonderen Gedenken an die Soldaten, die unser Land verteidigt haben und auch aktuell in verschiedenen Einsätzen ihr Leben für uns einsetzen, legen wir den Kranz am Kriegerdenkmal nieder.
Ich bedanke mich bei dem Musikverein und der Feuerwehr für die würdevolle Gestaltung der Gedenkfeier und allen Anwesenden für ihre Teilnahme.